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Beitrag vom 06.08.2014
Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste. Ein Film von Isabell Suba. Kinostart: 14. August 2014
Susann S.Reck
Der auf dem Max Ophüls Festival ausgezeichnete Debütfilm von Isabell Suba garantiert, mit zwei durchgeknallten NachwuchsfilmemacherInnen am Rande der Filmfestspiele von Cannes, 90 Minuten lang...
... Humor und Verbalschlachten.
In der Konzeptkunst erklärt das Konzept ein stückweit das Kunstwerk. So ähnlich ist es auch bei Isabell Subas Film. Ohne den "Beipackzettel" vorher gelesen zu haben, erzählt sich nicht unbedingt was das, zweifelsohne – gelungene - Marketing des Films suggeriert, dass er "ein humorvolles Plädoyer für Chancengleichheit im Filmbusiness und weibliche Vorbilder ist".
Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste beginnt vielmehr mit einer Hürde, der für ebenso unbedarfte wie unaufmerksame ZuschauerInnen fatal sein könnte. Sind sie nämlich nicht schlau und schnell genug, den Vorspann richtig zu deuten, entgeht ihnen der Schlüssel zum Film. Dieser beruht auf dem Umstand, dass sich Regisseurin Suba, die 2012 mit ihrem Kurzfilm "ChicaXXMujer", zu den Filmfestspielen nach Cannes eingeladen wird, sich von einer Schauspielerin, Anne Haug, darstellen und von ihr dort gleichsam "vertreten" lässt.
Begleitet wird Haug vor der Kamera von Subas Produzenten Matthias Weidenhöfer, der im Film als David Wendtland auftritt. Der Film nutzt die Filmfestspiele als authentische Hintergrundkulisse, arbeitet aber sonst überwiegend mit Spielfilmelementen.
Beziehungskiste
Die eigentliche Handlung ist schnell erzählt. Das Duo ist nicht nur wegen der Präsentation des Kurzfilms in Cannes. Als Team wollen sie wichtige Kontakte für ein neues Filmprojekt knüpfen. Allerdings endet der skurrile Pitch mit einer realen arte- Redakteurin ebenso in einem Fiasko wie ein, durch eheähnliche Streitigkeiten, versautes Interview. Der rasant erzählte Streifen vor der glamourösen Kulisse eines verregneten Cannes während der Festspielzeit, fokussiert die Befindlichkeiten der NachwuchsfilmemacherInnen, von denen nicht klar ist, warum sie überhaupt zusammen arbeiten - was durchaus komödiantische Züge hat. Der Produzent als notorisch arbeitsscheuer, chauvinistischer Sack, der alle Termine vergeigt, wird zunehmend Zielscheibe der lesbischen Regisseurin, die ihn, mit einer Mischung fieser Sprüche, gnadenloser Energie und pubertärer Selbstverliebtheit vor sich hin treibt. Im Gegensatz zu ihm gelingt es ihr, immerhin, eine Frau aufzureißen.
Vor allem Anne Haugs überzeugende Darstellung der Nachwuchsregisseurin Suba ist von großem Unterhaltungswert und trägt mühelos über den gesamten Film. Allerdings erweist sich ihre Kampfeslust langfristig als Falle, da sich die Aggression an keinem Punkt der Handlung überzeugend nach außen wendet. Sie bleibt, dem weiblichen Rollenklischee folgend, auf der Beziehungsebene, und damit im Privaten stecken. Zwar sind die Verbalschlachten zwischen Produzent und Regisseurin bisweilen äußerst komisch. Auch entlarven sie ein stückweit die Gepflogenheiten einer Branche, die es sich, zumindest in Deutschland, dank staatlichem Fördersystem und Gebühreneinzug, zwischen Dilettantismus und Professionalität, dem Mythos vom Genie, und kaum zu ertragender Selbstüberschätzung, bequem eingerichtet hat. Dass das rustikale Auftreten der Regisseurin dem Umstand geschuldet sein könnte, sich als inszenierende Frau auf verlorenem Posten zu fühlen, lässt sich allein aus der Filmerzählung jedoch (leider!) nicht ablesen. Zwar wird an einer Stelle erwähnt, dass im Wettbewerb kein einziger Film einer Regisseurin läuft, zwar werden kurz ein paar Zahlen genannt. Die Hinweise auf die schlechten Arbeitsbedingungen von Filmregisseurinnen weltweit sind jedoch zu selten und zu leise gestreut, als dass die ZuschauerInnen entsprechende Rückschlüsse ziehen könnten. Vielleicht ist das auch gar nicht nötig.
Trotzdem bleibt zu fragen, warum eine energiegeladene Regisseurin wie Anne Haug in der Rolle von Isabell Suba nicht in irgendeiner Form aktiv wird, dass sie irgendetwas tut, das der emotionalen Höhe der Figur entsprechen würde. Tatsächlich lehnen sich die beiden Streithähne am Ende nur ermattet zurück und beschließen - Fazit der verhunzten Tage - sich wenigstens noch ein paar Filme reinzuziehen. Frauen dürfen in dieser Branche eben nicht wählerisch sein. Und wahrscheinlich wollten die beiden eh nur spielen, ihren Neurosen eine glamouröse Bühne bieten, um dann weiter zu machen wie bisher.
Vorbilder
Dass sich der Film nicht zur feministischen Gesellschaftskritik eignet, ist nicht weiter tragisch. Er zeigt den Filmnachwuchs am Rande der ganz großen Party, it´s a men´s world. Der vielversprechende Titel allerdings, Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste, führt in die Irre.
In der französischen Tageszeitung Le Monde lanciert die feministische Aktionsgruppe La Barbe (dt. der Bart), kurz vor Beginn der Festspiele 2012, zusammen mit drei international bekannten Filmschaffenden, Virginie Despentes (Baise-moi, Bye-Bye Blondie), Coline Serreau (Drei Männer und ein Baby) und Fanny Cottençon (Die schönen Tage) einen Brandbrief mit dem gleichnamigen Titel. Mit Witz und Ironie beschreiben sie darin die Marginalisierung, die sie als Filmemachrinnen in Cannes erfahren.
"Das Festival erlaubt es Wes, Jacques, Leos, David, Lee, Andrew, Matteo, Michael, John, Hong, Im, Abbas, Ken, Sergei, Cristian, Yousry, Jeff, Alain, Carlos, Walter, Ulrich und Thomas einmal mehr zu zeigen, dass Männer die Tiefen der Frauen lieben, allerdings nur die ihrer Dekolletés."
La Barbe selbst nutzt das Festival 2012 für eine ihrer Aktionen. Aktivistinnen protestieren mit künstlichen Bärten auf dem roten Teppich gegen den konsequenten Ausschluss ihrer Geschlechtsgenossinnen hinter der Kamera.
Der Frauenbart sei Zeichen ihres Willens, sich gegen die Vorherrschaft der Männer zur Wehr zu setzen, und alle Situationen der Ungleichheit zwischen Mann und Frau sichtbar und lächerlich zu machen, so ihr Manifest.
Seit dem Brandbrief und La Barbe in Cannes, liegt auf dem Frauenanteil im Wettbewerb immerhin ein besonderes Augenmerk. Mit 2 von 18 Filmen von Regisseurinnen ist dieser in diesem Jahr 2014 zwar wieder sehr niedrig. Der Festivalleiter aber betont, dass von den 49 Filmen, die in allen Sektionen des Festivals zu sehen waren, immerhin 15 von Frauen gemacht wurden.
AVIVA-Tipp: Zwar wird Suba ihrem Anspruch, auf die Situation von Regisseurinnen im Filmbusiness aufmerksam machen zu wollen, nicht gerecht. Schon der Titel ist eher Teil einer geschickten Marketingstrategie als inhaltlich begründet. Auch das ist nicht tragisch, denn der Film bleibt ein gelungenes Debüt. Gedreht in nur fünf Tagen und mit dem geringem Budget einer Crowdfunding-Kampagne, sorgt er für 90 vergnügliche Minuten, mit einer Hauptdarstellerin, die hoffentlich noch oft zu sehen sein wird.
Zur Regisseurin: Isabell Suba studiert an der Hochschule für Film und Fernsehen- Potsdam Babelsberg Regie. Sie ist Meisterschülerin von Andreas Kleinert. Ihr Kurzfilm ChicaXXMujer lief 2012 u.a. auf dem Filmfestival in Cannes.
Festivals und Awards für Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste
Filmfestival Kitzbühl, Filmfestival of german Films, Achtung Berlin - New film award, Opening Film, 1 Award, Filmfestival Max Ophüls Preis, 2 Awards, International Torino Film Festiva, International Hofer Filmtage, Zurich Film Festival
Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste
Deutschland 2013
REGIE: Isabell Å uba
DREHBUCH: Lisa Glock, Isabell Å uba
PRODUKTION: Matthias Weidenhöfer, Isabell Šuba
KAMERA: Johannes Louis
MONTAGE: Clemens Walter
O-TON: Tina Laschke
O-TONSCHNITT: Michael Thumm, Bettina Bertok
SOUNDSUPERVISING: Tina Laschke
SOUNDDESIGN: Tina Laschke, Philipp Nespital
ADR AUFNAHME & -SCHNITT: Christoph de la Chevallerie
FOLEY-AUFNAHME & -SCHNITT: Vensan Mazmanyan
GERÄUSCHEMACHER: Peter Roigk
MISCHUNG: Michael Thumm, Bettina Bertok
MUSIK: Hector Marroquin, TUBBE
MUSIKAUFNAHME UND-MISCHUNG: Julius Middendorff
SCHNITTASSISTENZ: Magnus Schmitz, Aki Pschera
Filmgraphik: Oliver Peters, Sven Zuege, Nino Matthey
FARBKORREKTUR: Achtfeld/ Fabian Spuck
Laufzeit: 90 Minuten
FSK: ab zwölf Jahren
Verleih missingFILMS
Links
www.maenner-zeigen-filme-und-frauen-ihre-brueste.de
Trailer zum Film www.youtube.com
Webseite zum Artikel von Le Monde
www.lemonde.fr
Website zur Aktionsgruppe La Barbe
www.labarbelabarbe.org
Zitate aus Le Monde im Original (Ãœbersetzung von Susann S.Reck):
"Le Festival permet à Wes, Jacques, Leos, David, Lee, Andrew, Matteo, Michael, John, Hong, Im, Abbas, Ken, Sergei, Cristian, Yousry, Jeff, Alain, Carlos, Walter, Ulrich, Thomas de monter une fois de plus que les hommes aiment la profondeur chez les femmes, mais seulement dans leur décolleté."
"Que la Barbe des femmes soit le signe de leur volonté de résister a la hégémonie masculine et de rendre visibles et ridicules toutes les situations d´inégalité entre hommes et femmes."